2021
Carolin Emcke
„Offenheit, Klarheit und Beständigkeit“
Im zweiten Corona-Jahr wurde eine Verleihung des Rosa-Courage-Preises im Friedensaal der Stadt Osnabrück wieder möglich, allerdings nur mit einer sehr eingeschränkten Zahl von anwesenden Personen. Diese Einschränkung war um so mehr bedauerlich, kommentierte Dr. Diana Häs in ihrem Grußwort, weil die Würdigung einer der bedeutendsten Autor*innen und Publizist*innen Deutschlands galt: Dr. Carolin Emcke, unter anderem Preisträgerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2016. Für ihren Einsatz und ihre Arbeit als engagierte Intellektuelle für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen, Intersexuelle und queere Menschen bekam sie den Rosa-Courage-Preis 2021.
Ihre Offenheit, ihre Klarheit und ihre Beständigkeit beim Einsatz für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten sind es, die dem Rosa-Courage-Kuratorium imponieren. „Sie macht Diskriminierungen deutlich, stellt Gewohnheiten in Frage und klärt Missstände auf“, so Frank Mayer, 1. Vorsitzender des Gay in May e.V. Darüber hinaus gelinge es ihr, Verbindungen zu anderen Diskriminierungsmechanismen wie Rassismus und Antisemitismus heraus- und den Bezug zu anderen Minderheiten herzustellen.
Der Preis wurde Carolin Emcke am 11. Mai 2021 vom Oberbürgermeister Wolfgang Griesert im Friedenssaal des historischen Rathauses verliehen. Die Verleihung konnte im Livestream verfolgt werden: „Dadurch“, so Griesert in einer Videobotschaft zur diesjährigen Ausgabe des Gay-in-May-Festivals, „wird der wichtige Preis auch über Osnabrücks Grenzen hinaus sichtbar“.
Dadurch konnten Zuschauende außerdem eine Preisträgerin erleben, die, so der Publizist Jan Feddersen in seiner passionierten Laudatio, nicht nur durch ihre Schriften, sondern auch durch ihre souveräne Person imponiert: „Sie geht gerade, sie hat den Gang einer ungebeugten Person, sie guckt interessiert, von ihr ist eine Beäugung in passiver Weise nicht zu haben“.
Von Carolin Emckes zahlreichen Veröffentlichungen hebt Feddersen ihr Buch «Wie wir begehren» hervor: „Es ist, man darf es so formulieren, ein aus der queeren Welt unwahrscheinlicher Essay geworden – auch biographisch darüber zu sprechen, wie Antihomosexuelles im eigenen Werdegang verankert worden ist. Mehr noch: Es ist eine Auseinandersetzung mit den gängigen Behauptungen zu Homosexualität. [Emcke] schreibt: ‚Gewiss, es mag für dieses Begehren genetische Konditionierungen geben, ich bezweifle nicht, dass es natürliche Disposition zur Homosexualität geben kann. Aber: Ich bin nicht nur homosexuell, weil die Natur das so bestimmt hat, weil ich nicht anders sein kann. Ich bin auch homosexuell, weil es mich glücklich macht, weil ich mich in Frauen hineinlieben möchte, weil sich meine Lust und mein Leben so richtig anfühlen, und weil ich mich für diese Art zu lieben entschieden habe, damals als ich zum ersten Mal eine Frau sah, als ich sie wollte, ihren Körper, ihre Lust, und ich merkte, dass ich davon nicht genug bekommen kann‘“. Diese Passage, so der auch im Nachhinein noch bewegte Laudator Feddersen, wirkte bei ihm „wie eine Offenbarung. Eine Aussage in eigener Sache von lakonischer Unentblößtheit, eine Skizze in Würde und Verständlichkeit.“
1967
geboren in Mülheim an der Ruhr
1986 – 1993
Studium der Philosophie, Politik und Geschichte in Frankfurt am Main, London und Harvard
1998
Promotion in Philosophie über den Begriff „Kollektiver Identitäten“
1998-2006
Auslandskorrespondentin bei DER SPIEGEL
2007-2014
Autorin und internationale Reporterin für DIE ZEIT
2012
„Wie wir begehren“
2016
„Gegen den Hass“
2016
Friedenspreis des deutschen Buchhandels
2017
Verdienstorden am Bande der Bundesrepublik Deutschland
2019
„Ja heißt Ja und …: Ein Monolog“
2022
„Für den Zweifel: Gespräche mit Thomas Strässle“
heute
lebt sie als freie Publizistin in Berlin und ist Kolumnistin bei der „Süddeutschen Zeitung“ und bei „El Pais“