2020
Günter Dworek
„Grandseigneur der Programmatik“
Am 3. Juli 2020 fand die bisher ungewöhnlichste Rosa-Courage-Preisverleihung statt: Aufgrund der Corona-Pandemie stand der für den Preis inzwischen traditionell gewordene Historische Friedenssaal im Rathaus der Stadt Osnabrück nicht zur Verfügung. Überhaupt konnten die Kulturtage der Vielfalt „Gay in May“ zum ersten Mal seit 1979 nur in einer äußerst reduzierten Form stattfinden.
Der Rosa-Courage-Preis wurde aber auch im Pandemiejahr 2020 verliehen, und zwar in Präsenz des Preisträgers Günter Dworek. Dies erfolgte allerdings in den Räumen des deutschen Bundestages in Berlin, in Anwesenheit der Bundestagsvizepräsidentin und Rosa-Courage-Preisträgerin des Jahres 1995, Claudia Roth.
Die Laudatio für Günter Dworek wurde von der in Bramsche geborenen Bundestagsabgeordneten Filiz Polat gehalten. Sie lobte ihn als maßgeblichen Vorreiter für die Lesben- und Schwulenpolitik: „Mit seiner Beharrlichkeit, mit der Bedächtigkeit, aber auch Sorgfalt und mit seinem Feinsinn für politische Prozesse hat Günter Dworek die Nation bewegt und mitbewegt.“ Günter Dworek sei „der Grandseigneur der Programmatik“, so der 2017 Rosa-Courage-Preisträger und langjähriger Mitstreiter Dworeks Volker Beck.
Dworeks Name ist eng verbunden mit der Weiterentwicklung des Schwulenverbandes der DDR zum Lesben- und Schwulenverband (LSVD) als ein schlagkräftiger gesamtdeutscher Verband, mit der „Ehe für Alle“ oder mit dem Denkmal zum Gedenken homosexueller Opfer des Nationalsozialismus. Mit dem Verband initiierte er die „Aktion Standesamt“, bei der am 19. August 1992 250 schwule und lesbische Paare bundesweit das Aufgebot bestellten und damit öffentlichkeitswirksam einen wesentlichen Schritt zur Erreichung der Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare machten. Günter Dworek ging es nicht darum, „eine neue Norm zu etablieren, sondern um ein Vielfaltskonzept, um Respekt, um Anerkennung als ein selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität“.
In seiner Dankesrede zeigte sich Günter Dworek ungeduldig in Hinblick auf die Bekämpfung von homophober und transfeindlicher Hasskriminalität oder auf die längst fällige Ergänzung des Grundgesetzes um „sexuelle Identität“. Bei der Preisverleihung gab er sich bescheiden, da er die eigentliche Courage bei anderen sehe: „Noch ein Gedanke zum Thema ‚Rosa Courage‘: Für einen älteren weißen Cis-Mann, der in einem unterstützenden Umfeld arbeitet, ist Courage vielleicht gar nicht mehr die zentrale Kategorie. Courage findet heute vielfach woanders statt: Bei mutigen Menschenrechtsverteidiger*innen in vielen Ländern dieser Welt, wo das Leben für LSBTI einfach nur grausam ist. Bei den Geflüchteten, die sich trotz deutscher und europäischer Vergrämungspolitik ihren Traum von einem Leben in Freiheit, Würde und Selbstbestimmung nicht nehmen lassen wollen und für ihr Recht kämpfen, Schutz und Asyl zu finden.“
1960
geboren
1990
Beitritt zum „Schwulenverband in der DDR“ (SVD), später „Schwulenverband in Deutschland“ [1999 Erweiterung zum „Lesben- und Schwulenverband in Deutschland“ (LSVD)]
Seit 1991 im Bundesvorstand des Verbandes.
1992
Mit-Initiator der „Aktion Standesamt“
2006
Internationaler „Tolerantia“-Preis für seinen Anteil am Zustandekommen des Lebenspartnerschaftsgesetzes
heute
Stiftungsratsvorsitzender der Hirschfeld-Eddy-Stiftung
(Stiftung für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender)