1998

Egmont Fassbinder

„Rosa Winkel“

Der Verleger Egmont Fassbinder mit seinem „Verlag rosa Winkel“ ist für die Geschichte der Schwulenbewegung in Deutschland von zentraler Bedeutung. Es war der erste Verlag der Nachkriegszeit im deutsch­sprachigen Raum, der sich speziell schwulen Themen widmete. Romanautoren der Gegenwart, Forschungs­studien, aber auch Ralf Königs Anfänge sind mit dem Verlag rosa Winkel verbunden. Den Rosa Winkel trugen schwule KZ-Häftlinge und er war das Symbol der europäischen Schwulenbewegung in den 1970er-Jahren.

Fassbinder, ein Cousin des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder, erklärte die Wahl des Namens so: „Wer den ,Rosa Winkel‘ trägt, zeigt damit: Ich lasse mich nicht aus der Öffentlichkeit drängen, ich ‚oute‘ mich selbst; ich bin homosexuell/lesbisch/ schwul und wehre mich gegen Unter­drückung und Diskriminierung.“ Daraus folgte für ihn:
„Der Verlag hat sich zur Aufgabe gemacht, Bücher zu produzieren, die dazu beitragen, Leben und Lieben der Homo­sexuellen früherer Zeiten der Vergessenheit zu entreißen, Dokumente gleichgeschlechtlichen Lebens herauszugeben, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl der Homo­sexuellen zu fördern, Mut zu machen, die Suche nach schwuler ‚Identität‘ zu unterstützen…“ Sein Resümee heute: „Mein Ziel war stets die Emanzipation der Schwulen: Ihnen die Angst zu nehmen und identitätsstiftend zu wirken. Heute kann man sagen: Hat doch geklappt. Schwule sieht man überall. Noch immer trage ich meinen ,Rosa Winkel‘. Ich habe unverschämtes Glück gehabt: Ich lebe noch!“

Aus der Laudatio von Wolfram Setz:
„Mut gehört nicht dazu, schwule Bücher in dem eben beschriebenen Sinne zu verlegen. Wohl aber Idealismus und Tatkraft und Beharrlichkeit, die sich nicht entmutigen lässt, weil sich die wirtschaftliche Absicherung einfach nicht einstellen will. Und so ist dieser Preis auch ein Stück Ermutigung, den Weg der letzten 20 Jahre weiter zu beschreiten.“

1945
geboren im Kippenheim bei Lahr (Baden)
Schule in Köln, Heidelberg, West-Berlin Studium der Sozialwissenschaften in Heidelberg und West-Berlin, Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS)

1971
Gründungsmitglied der Homosexuellen Aktion West-Berlin

1978-2005
Verlag rosa Winkel

1979
Sternaktion: „Wir sind schwul“, HOMO­LULU in Frankfurt

2023
Egmont Fassbinder verstirbt am 15. Mai in Berlin im Alter von 77 Jahren.